ESG-Risiken im SREP und in der Risikotragfähigkeitsrechnung
Management Summary
Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dies spiegelt sich auch in aufsichtsrechtlichen Anforderungen wider, die zunehmend eine Beurteilung von ESG-Risiken als wesentliches Komplementärrisiko (d.h. als Risiko, das sich in einer anderen Risikoart niederschlägt) verlangen. Somit müssen sie in den ICAAP eingebunden werden, der wiederum einen wesentlichen Faktor für die SREP-Bewertung darstellt. Wenn die Grundlagen für die Integration in den ICAAP gelegt sind, müssen ESG-Risiken konsistent in das RTF- und Stresstest-Konzept eingebaut werden. Dies ist besonders hinsichtlich des bisherigen Betrachtungszeitraums herausfordernd.
Dieser Artikel fasst zunächst den Status Quo der Integration von ESG-Risiken in den SREP zusammen und beleuchtet dann den Status des institutsspezifsichen ICAAP als maßgebliche Einflussgröße. Dabei wird insbesondere auf die Risikotragfähigkeit eingegangen. Anschließend stellt der Artikel zentrale Fragestellungen für die Integration von ESG-Risiken in die beiden ICAAP Perspektiven und den Stresstest vor. Ein systematisches Vorgehen ist dabei entscheidend, um perspektivisch keine Nachteile in der aufsichtsrechtlichen Beurteilung der Kapitaladäquanz hervorzurufen.
Entsprechend ist es für Institute notwendig, sich jetzt mit den Herausforderungen zu beschäftigen, um identifizierte Probleme zu adressieren und um aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt zu vermeiden.
Einführung / Hintergrund
Nachhaltigkeitsrisiken, oder auch ökologische (Environmental, E), soziale (Social, S) und unternehmensführungsbezogene (Governance, G) Risiken1, gewinnen als Risikoart für Finanzinstitute immer weiter an Bedeutung. Daher hat die EZB im November 2021 einen Bericht zum Implementierungsstatus von Umweltrisiken im Bankensektor veröffentlicht. Dieser zeigt auf, dass Klimarisiken zwar bereits zu Teilen in Risikomanagement Frameworks integriert sind, allerdings insbesondere bei der Quantifizierung und im Stresstesting noch deutliche Fortschritte erzielt werden müssen.2 Dieser Eindruck wird durch die Ergebnisse des ersten Klimastresstests der EZB bestätigt, der aufzeigt, dass rund 60 % der teilnehmenden Banken noch keinen Rahmen für Klimastresstests hatten. Ein ähnliches Bild zeigt sich in einer Umfrage der BaFin von April 2021, die kleinere Institute abdeckt. Weniger als die Hälfte der teilnehmenden Kreditinstitute verfügte zu diesem Zeitpunkt über Methoden zur Steuerung / Minderung von Nachhaltigkeitsrisiken. Zudem haben nur wenige Kreditinstitute bereits erste nachhaltigkeitsbezogene Stresstests durchgeführt, bei einem größeren Teil sind sie jedoch in Planung.3
Diese Lücken in der Implementierung müssen von den Instituten zeitnah adressiert werden, da die EBA angekündigt hat, das Thema Nachhaltigkeitsrisiken in der nächsten Überarbeitung ihrer Leitlinien für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review und Evaluation Process, SREP) verstärkt einzubinden.
Dieser Artikel beleuchtet zunächst die Einbindung von ESG-Risiken in den SREP, um den Kontext für die aufsichtsrechtliche Beurteilung der Kapitaladäquanz zu setzten. Eine wesentliche Einflussgröße für die Bewertung durch die Aufsicht bildet der Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP) der Institute, in dem alle wesentlichen Risiken bewertet und gemessen werden. Da sich immer mehr herauskristallisiert, dass ESG-Risiken als wesentlich zu klassifizieren sind, müssen sie entsprechend in den ICAAP eingebunden werden. Dieser Artikel fokussiert sich auf die Integration von ESG-Risiken in der Risikotragfähigkeitsrechnung (RTF-Rechnung) und in Stresstests, da diese die Hauptbestandteile zur quantitativen Bewertung der Risikotragfähigkeit eines Instituts sind. Abschließend werden mögliche Konsequenzen der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken für die aufsichtsrechtliche Beurteilung der Kapitaladäquanz beleuchtet.
Um eine konsistente Integration in den ICAAP zu gewährleisten, sollten ESG-Risiken zunächst auch in den weiteren ICAAP Bestandteilen (Risikoidentifikation, Bewertung und internes Reporting von ESG-Risiken) berücksichtigt werden. Dies wird im Artikel: „ESG-Risiken: Mögliche Herangehensweisen zur Erfassung“ abgedeckt.
SREP und ICAAP
Der SREP ist Teil des bankenaufsichtlichen Überprüfungsprozesses, der die zweite Säule des Baseler Rahmenwerks bildet. Im SREP messen und beurteilen die Aufsichtsbehörden die Risiken, welchen die einzelnen Banken ausgesetzt sind, und setzen den Banken Ziele zur Beseitigung von festgestellten Mängeln. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, hat die EBA-Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den SREP veröffentlicht, die sich an die Aufsichtsbehörden richten und bis zum 01.01.2016 umzusetzen waren. Dabei wird die Verhältnismäßigkeit der Aufsichtsintensität beachtet, wobei je nach Risikokategorie des Instituts ein Mindestmaß an Überwachung vorgesehen ist.
2021 legte die EBA in einer Veröffentlichung dar, dass der derzeit bestehende SREP ESG-Risiken wahrscheinlich noch nicht ausreichend abdeckt und daher ein neuer Aspekt in der aufsichtsrechtlichen Prüfung notwendig ist. Perspektivisch hat die EBA das Ziel definiert, die folgenden Punkte hinsichtlich ESG-Risiken zu prüfen:
- Ob Kreditinstitute ihre längerfristige Widerstandsfähigkeit (min. 10 Jahre) ausreichend analysieren und bei der Planung berücksichtigen
- Wie ESG-Risiken im Kontext der internen Governance und der Kontrollsysteme betrachtet werden
- Dass ESG-Risiken adäquat als Treiber von finanziellen Risiken in die Quantifizierung der Risiken und in die Risikotragfähigkeitsrechnung (RTF) mit einfließen
Dabei soll schrittweise und verhältnismäßig vorgegangen werden. Zudem sollen EBA-Leitlinien für das Management von ESG-Risiken für Institute und Leitlinien für die Aufsichtsbehörden veröffentlicht werden.4
Trotz der hohen medialen Aufmerksamkeit bezüglich Nachhaltigkeitsrisiken enthält eine überarbeite Version der SREP-Leitlinien, die im März 2022 veröffentlicht wurde und ab 2023 anzuwenden ist, kaum konkrete Vorgaben zu ESG-Risiken. Lediglich in der Identifikation von Schwachstellen im Geschäftsmodell werden ESG-Risiken explizit aufgeführt. Für die weitere Integration von ESG-Risiken in den SREP verweist die EBA auf eine kommende Überarbeitung der Leitlinien.