
Szenario-Techniken für Operational Resilience – Das Erkennen von "Grey Rhinos" als Erfolgsfaktor
Szenario-Techniken für Operational Resilience – Das Erkennen von "Grey Rhinos" als Erfolgsfaktor
Einleitung: Resilienz in der digitalen Transformation
Die digitale Transformation, geopolitische Unsicherheiten und neue regulatorische Anforderungen wie DORA haben den Druck auf Unternehmen erhöht, nicht nur robust, sondern resilient zu sein. Doch Resilienz bedeutet mehr als nur ein gutes Notfallkonzept – es erfordert vorausschauendes Denken und Handeln.
Szenario-Techniken sind dabei essenziell, insbesondere wenn schwache Signale die einzigen Frühindikatoren für kommende Umbrüche sind. Dieser Beitrag beleuchtet, warum Szenario-Planung heute kritischer denn je ist, wie sie erfolgreich gelingt und wie Organisationen Signal Monitoring wirksam in ihre Praxis integrieren können.
Warum Scenario Planning kritisch ist – Permakrisen und Regulatorik als Treiber
Spätestens mit Inkrafttreten der Digital Operational Resilience Act (DORA) wird klar: Die Zeit punktueller Risikoanalysen ist vorbei. DORA verlangt, dass Finanzunternehmen ihre operative Resilienz strukturell stärken – dazu gehört auch die Simulation extremer, aber plausibler Szenarien. Artikel 10 der Verordnung fordert explizit regelmäßige, durch Bedrohungssimulationen gestützte Szenarien, die kritische Prozesse auf ihre Belastbarkeit testen.
Dabei geht es nicht um klassische Business-Continuity-Pläne, sondern um die Fähigkeit, schnell auf unvorhergesehene Ereignisse – auch sogenannte „Black Swans" – reagieren zu können. Solche Ereignisse wie 9/11 oder COVID-19 sind zwar selten, aber von massiver Tragweite. Szenario-Planung hilft, auch auf solche Extremsituationen vorbereitet zu sein – selbst wenn es keine oder nur wenige spezifischen Frühindikatoren gibt.
Wie Szenario Planning gelingt – Warum Wahrscheinlichkeiten nicht ausreichen
In der Praxis sind viele Risikobewertungen stark von Eintrittswahrscheinlichkeiten geprägt. Doch genau hier liegt das Problem: Hochgradig disruptive Ereignisse wie Finanzkrisen oder geopolitische Konflikte lassen sich kaum mit verlässlichen Wahrscheinlichkeiten beschreiben. Deshalb ist ein rein probabilistischer Ansatz oft zu träge – und gefährlich.
Ein wirkungsvoller Alternativansatz: die deduktive Ableitung von Szenarien auf Basis schwacher Signale. Dabei werden Signale – z. B. technologische Trends, regulatorische Tendenzen oder geopolitische Verschiebungen – nicht nur beobachtet, sondern in kausale Zusammenhänge gesetzt. Der Unterschied: Es geht nicht um exakte Vorhersagen, sondern um das Erkennen von high Impact Szenarien und die Ableitung von wirkungsvollen Strategien.
Drei Typen von Ereignissen im Strategic Foresight
Im Strategic Foresight-Kontext unterscheidet man zwischen drei Typen von Ereignissen:
- Black Swans: Unerwartet, ohne spezifische Signale, z. B. 9/11
- Grey Rhinos: Unwahrscheinliche, und oft unterschätzte Ereignisse, z. B. Finanzkrisen, Pandemien
- White Elephants: Offensichtliche Entwicklungen mit starken Signalen, z. B. Klimawandel
Gerade Grey Rhinos bieten Chancen zur proaktiven Resilienz – wenn die schwachen Signale frühzeitig erkannt und analysiert werden.
Wie Scenario Planning in der Praxis umgesetzt werden kann – inklusive Signal Monitoring
Die Integration von Szenarioplanung in Unternehmensprozesse ist kein Einmalprojekt, sondern ein iterativer Prozess. Dabei sind strukturierte Prozesse effektiv, die aus einer zentralen Frage über Szenarien hinweg strategische Optionen ableiten und kontinuierlich mit Signalen angereichert werden können:
Ein beispielhafter 7-stufiger Scenario Planning-Prozess
- Zentrale Fragestellung & Zeithorizont definieren – Bestimmung des konkreten Entscheidungsbedarfs und des relevanten Planungshorizonts (typischerweise 1-2 Jahre).
- Schlüsselthemen identifizieren – Systematische Erfassung aller relevanten Einflussfaktoren aus Technologie, Regulatorik, Marktumfeld und gesellschaftlichen Trends.
- Themen priorisieren – Bewertung der identifizierten Faktoren nach Einflussgrad und Unsicherheit zur Fokussierung auf die kritischsten Variablen.
- Szenarienlogik entwickeln – Aufbau konsistenter Narrative durch Kombination der priorisierten Faktoren zu plausiblen Szenarien.
- Szenarien quantifizieren – Übersetzung der qualitativen Szenarien in messbare Parameter und konkrete Auswirkungen auf das Unternehmen.
- Strategische Optionen ableiten – Entwicklung spezifischer Handlungsalternativen und Maßnahmenpakete für jedes Szenario.
- Signale als Frühindikatoren definieren – Festlegung beobachtbarer Indikatoren, die eine Bewegung in Richtung der verschiedenen Szenarien anzeigen.
Im letzten Schritt werden für jedes Szenario spezifische Indikatoren definiert – etwa Cyber-Bedrohungs-Trends, geopolitische Unruhen oder Krankheitsausbrüche. Diese Kennzahlen werden mithilfe spezialisierter, KI-gestützter Plattformen (z. B. Dataminr, Flashpoint, Recorded Future oder BlueDot) aus News-Feeds, Social Media, Dark-/Deep-Web und behördlichen Datenquellen kontinuierlich erfasst und in Echtzeit ausgewertet.
Vorteile eines erfolgreichen Signal Monitorings
Ein erfolgreiches Signal Monitoring erlaubt:
- Frühzeitige Identifikation eskalierender Trends
- Dynamische Anpassung von Reaktionsplänen
- Bessere Allokation von Ressourcen zu relevanten Strategien
Das Ziel: Dynamische Änderungen der Bedrohungslage fortlaufend Erfassen und Bewerten und Szenarien entsprechend anpassen.
Use Case: Grey Rhino „Pandemie durch US-Aid-Kürzungen & Impfskepsis" für Finanzunternehmen
1. Szenario-Definition:
Finanzinstitute analysieren das Risiko eines Pandemieausbruchs, ausgelöst durch drastische Kürzungen US-amerikanischer Gesundheitshilfe und wachsende Impfskepsis in Schlüsselregionen.
2. Zentrale Fragestellung & Zeithorizont:
Wie beeinflusst ein solcher Ausbruch innerhalb der nächsten 12–18 Monate die Betriebskontinuität, Erreichbarkeit von Zweigstellen und Verfügbarkeit von Mitarbeitenden?
3. Schlüsselthemen identifizieren:
Wesentliche Treiber sind Rückgang staatlicher Impfprogramme, sinkende Impfquoten, Versorgungslücken bei lebenswichtigen Medikamenten und steigende Mobilität trotz Gesundheitskrisen.
4. Szenariologik & Worst-Case:
Im Worst-Case eskaliert die Impfskepsis zu massenhaften Krankheitsausbrüchen; gleichzeitig fehlt durch US-Aid-Kürzungen finanzielle Unterstützung für internationale Hilfsorganisationen. Hinzu kommt der Ausbruch einer neuen, hoch ansteckenden Virusvariante, die sich global verbreitet, Gesundheitssysteme überlastet und Reise- sowie Handelsbeschränkungen verschärft – ein kombiniertes Grey Rhino mit unterschätzten Frühindikatoren.
5. Szenarienquantifizierung:
Modelliert wird ein Anstieg der Krankheitsinzidenz um 200 % in betroffenen Ländern, 30 % höhere Fehlzeiten bei Mitarbeitenden und eine 25 %ige Reduktion grenzüberschreitender Geschäftsreisen; gleichzeitig werden 40 % der globalen Logistikkapazitäten durch Pandemiemaßnahmen beeinträchtigt. Wissensträger und kritische Mitarbeiter erkranken und fallen langfristig aus.
6. Strategische Optionen:
Banken stärken ihre digitalen Services, weiten Home-Office- und Telemedizin-Kooperationen mit Gesundheitsanbietern aus, implementieren flexible Personalpools und legen Notfall-Teams für schnelle Personalvertretung und IT-Support an.
7. Frühindikatoren definieren:
Zu überwachen sind Impfraten-Statistiken, Budget-Votings im US-Kongress, Social-Media-Debatten zu Impfpflicht, Nachrichten über NGO-Finanzierungskürzungen und erste WHO-Warnungen zu neuen Erreger-Clustern.
8. Signal Monitoring:
KI-gesteuerte Plattformen wie Dataminr, Flashpoint und BlueDot durchsuchen News-Feeds, Social Media, behördliche Bulletins und NGO-Websites in Echtzeit, um aufschaukelnde Signale zu erkennen und kombinierte Pandemiewarnungen auszuliefern.
9. Vorteile:
Kontinuierliches Monitoring ermöglicht eine frühzeitige Anpassung von Personal- und IT-Kapazitäten, optimiert Krisenkommunikation und fördert die strategische Anpassung von Geschäftsmodellen, sowie Einbindung resilienter Drittparteien in die Erbringung zeitkritischer Dienstleistungen.
10. Fazit:
Durch deduktive Szenario-Planung und gezieltes Signal Monitoring sichern Finanzinstitute ihre Operational Resilience gegen pandemische Grey Rhinos – bevor diese zur existenziellen Bedrohung werden.
Fazit – Weitsicht schlägt Wahrscheinlichkeit
In einer Welt, die von Volatilität geprägt ist, braucht Resilienz mehr als nur robuste Prozesse. Szenario-Techniken bieten einen systematischen Weg, Unternehmen effektiv auf "Grey Rhinos" vorzubereiten. Frühindikatoren – also schwache Signale – sind dabei kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
Wer heute investiert, die richtigen Fragen zu stellen und strukturierte Szenarien abzuleiten, kann morgen schneller reagieren, effizienter steuern und langfristig resilient bleiben.
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